Aufgeregt hörte Voline ihren tuschelnden Freundinnen zu. Sie
hatte es geliebt den Älteren zu lauschen, wenn sie von den rituellen Tänzen vor
dem Tempel des Feuers erzählt hatten. Dieses Jahr jedoch war sie endlich alt
genug, dass sie selbst dabei sein konnte. Sie durfte mit ansehen, wie die
Freiwilligen Tänzer, diese anmutige, akrobatische Aufführung vorführten. „Und
erinnerst du dich noch an letztes Jahr?“, Ajna hatte nun das Wort ergriffen,
ihre dunklen Locken, sprangen vor Aufregung hin und her. „Dieser blonde Junge?!
Oh, er war traumhaft! So anmutig und schön!“, stimmte Florentina in Ajnas
zuckersüßes Gekicher mit ein, während Voline nur weiter auf die Masse von
Menschen vor ihnen starrte. Bereits am Morgen hatten sie sich die besten Plätze
für die Vorstellung gesichert und hatten nun freie Sicht auf den Festplatz. Wie
viele Männer und Frauen genau dort standen konnte sie nicht erkennen, aber es
war bereits ein Spektakel zu sehen, wie sie ihre Plätze einnahmen. Die langen, fließenden
Gewänder wurden vom aufziehenden Wind hin und her geweht und der auffällige
Schmuck funkelte wild im Licht der untergehenden Sonne. Noch immer tuschelten
die anderen Mädchen aufgeregt, während dumpfe Trommelschläge erschallten.
Voline betrachtete das Schauspiel vor sich mit weit aufgerissenen Augen. Noch
nie hatte sie etwas so schönes gesehen, wie den dutzenden Menschen, die sich in
vollkommener Harmonie mit der Musik bewegten. Unruhig tippelte sie hin und her,
mitgerissen von der Musik und den Bewegungen. Rauschend und immer schneller
floss die Menge an Tänzern immer näher an die Zuschauer heran.
„Da!“, fast schreiend zeigte Ajna auf einen jungen Mann, der gerade in eine
Figur mit eingebunden war. In ihren Augen lag ein träumerischer Ausdruck, doch
er währte nicht lange. Ein kreischen und ein plötzliches Gewicht auf Volines
Schulter war das erste was sie wirklich realisierte. Sie hatte wie durch einen
Schleier wahrgenommen, wie einer der Tänzer von einem Sprung vor der Masse
aufgekommen war und in die Zuschauer gestolpert war.
Mit weit aufgerissen Augen starrte sie der junge Mann an. Seine stahlgrauen
Augen schienen so voller Ekstase, und doch so rein und unschuldig zu sein, wie
die eines Kindes. Ein sanfter Schauer lief über Volines Rücken, als sie der
Hand auf ihrer Schulter gewahr wurde, die so warm und angenehm auf ihrer Haut
lag. Sein Atem ging stoßweise vor Anstrengung über seine fein geschwungenen
Lippen. Strähnen langen blonden Haars
fielen ungebändigt über die feinen Züge des jungen Mannes, als er sich von dem
Mädchen abwandte und wieder zurück in die Reihen der Tänzer eilte. Nur einen
Moment hatte er so verweilt, doch für Voline hatte es eine Ewigkeit gedauert. Verwundert
sah sie ihm nach, dem seltsamen Jungen mit den tanzenden Schritten und den
Augen in denen sie ertrinken wollte.
Als Sahel sich seinen Weg durch die Tänzer auf dem Platz
vor dem Tempel bahnte, leuchtete die Sonne noch immer in leuchtenden Farben am
Horizont. Mit Leichtigkeit tanzte er zwischen den sich wiegenden Körpern
hindurch, bis zum großen Portal des Feuertempels. Ein kleiner Stich durchzuckte
ihn, als er an die verpatzte Landung nach dem Sprung dachte. Jedoch musste er
sich eingestehen, dass der Blick des Mädchens auf eine gewisse Art und Weise
faszinierend war. Ihre dunkelblauen Augen hatten vor Aufregung geleuchtet.
Mit einem Lächeln betrat der junge Mann den Tempel. Der vertraute Geruch von
Weihrauch und Myrre hüllte Sahel ein, als er so schnell wie möglich die Distanz
zwischen dem Portal und der Klippe zur Schlucht des Erris überwand. Immer wieder
versetzte ihn der Anblick des Tempels in Erstaunen. Die schmalen Säulen, die
die reichlich verzierte Decke trugen, ragten, wie die hohen Zypressen in
den Hainen nach Oben, dem Himmel
entgegen. Starke Mauern, angefüllt mit
den Darstellungen der Gründung Priaerias und ihrer Teilung, mit dem Verlust der
Magie und der Bewahrung ihrer letzten Überbleibsel, streckten sich nach oben
und bildeten den länglichen Körper des Haupthauses.
Mit Ehrfurcht erfüllt schritt Sahel die letzten Stufen zum eigentlichen Herzstück
des Tempels nach oben. Ein Schwarzes
Loch klaffe dort, wo eigentlich die südliche Mauer sein sollte und gab den
Blick frei, auf die Leere, die die Schlucht des Erris in die Landschaft riss. Über die gesamte Breite der Klippe erstreckte
sich ein riesiges Becken in dem das
ewige Feuer brannte. Und nun war es an Sahel, dass er das Feuer weiter schürte.
Mit tiefen Atemzügen sog er die von Dämpfen erfüllte Luft des Tempels ein, als
er den ihm zugewiesenen Platz, in der
Mitte der Empore, erreicht hatte. Lautlos traten mehrere Tempeldiener an ihn
heran. Ihre Gesichter waren fast gänzlich von Schleiern verdeckt, nur ihre
Augen konnte er erahnen. In allen lag tief verwurzelte Erwartung und Hoffnung.
Während nun im Inneren des Tempels die eigentliche Zeremonie abgehalten werden
würde, spielte sich auf dem Festplatz der Hauptakt des Tanzes ab. Angestrengt
versuchte Sahel sich daran zu erinnern, wer im letzten Jahr seinen jetzigen
Platz innegehabt hatte, aber er konnte sich nicht daran erinnern.
In einem perfekten Kreis hatten sich die acht Männer und Frauen um ihn
aufgestellt und warteten mit glühenden Augen darauf, dass Sahel seinen Part
erfüllte. Ein leicht mulmiges Gefühl erfüllte den Jungen, als er dort stand und
alle Erwartungen auf ihm lasteten, doch es war eine Ehre die Zeremonie des
ewigen Feuers ausführen zu dürfen und so nahm er all seinen Mut zusammen und
sprach die Worte, die von ihm verlangt wurden: „In gänzlicher Aufrichtigkeit
stehe ich hier, reinige mich im Angesicht des ewigen Feuers. Ich gebe mich ihm
Hin, mein Herz, meine Seele. Für immer und Ewig diene ich ihm. Das ewige Feuer
bleibt stets in meinen Gedanken, in jeder Sekunde unerreichbar schön. Ich stehe
ein für das, was es mir zeigt und werde alles mir mögliche versuchen um Missstände
zu vertreiben. Für das ewige Feuer gebe ich mich auf.“ Ein schwaches Seufzen
entglitt Sahels Lippen als er die Worte ausgesprochen hatte. Nun war es so
weit. Er war Teil des Rituals.
In vollkommenem Gleichschritt traten die Acht vor Sahel. Vorsichtig nahmen sie
den Schmuck von den Gewändern des Jungen ab und trugen ihn zu dem Feuerbecken
an der Klippe. Wie durch einen Schleier bekam Sahel mit, was sie taten, sah
verschwommen, wie sich dunkler Rauch von den Stellen emporhob, wo sein Schmuck
und seine Kleidung verbrannt wurde. Er spürte eifrige Finger an seinem Kopf,
die die Spangen und Bänder lösten, mit denen sein Haar zuvor hoch gesteckt war
und das Gewicht, als es sich wieder in sanften Locken über seinen Rücken
ergoss. Immer und immer wieder murmelten die Tempeldiener in einem halblauten Singsang die selben
Worte. „Flammendrot im Einklang steht mit blassem Mondenschein.“
Sahel hatte sich schon immer gefragt was diese Worte zu bedeuten hatten: Bleicher Mondenschein… Der Blick des Jungen fiel erneut auf die Öffnung der
Tempelmauer. Der Mond war noch nicht aufgegangen, doch die ersten Sterne
glühten in der aufziehenden Dunkelheit. Ein kalter Wind fegte durch die Öffnung
und ließ Sahel zittern. Nur noch die feine Leinenhose, die unter den seidenen Gewändern
getragen wurde, schützte Sahel vor der Kälte der Nacht. Mit nackten Füßen
spürte er den rauen Steinboden, der von den lodernden Flammen gewärmt wurde. Die
Acht hatten in einer Reihe vor der Treppe ihre Plätze eingenommen.
Wie ein einem wilden Rausch verflog die Zeit vor Sahels Augen. Die Ekstase des
Tanzes übernahm völlig seinen Geist, während er von den Gesängen der
Tempeldiener und den dazu strömenden Tänzern getragen wurde. Sie sangen von Liebe und Hass, von
Freundschaft und Feindschaft und von einem Tyrannen der selbst das stärkste
Band des Blutes zerstören konnte. Sahel konnte sich nicht erwehren zu
denken, dass der Tyrann ihr Gott selbst sein konnte und doch
war es so abwegig, dass der der ihnen grünes Land und fließende Flüsse schenkte
so grausam sein konnte.
Das Rot der Flammen spiegelten sich in den Augen des Jungen, so lebendig, dass
es schien, als ob ihr heißes Glühen die Kälte des Graus in ihnen gänzlich
vertreiben wollte. Schafe Schatten
ließen seine Bewegungen, die sonst so anmutig und zart waren, wie der
Flügelschlag eines Vogels, hart und grob wirken. Und doch war der Anblick des
Jungen für jeden Zuschauer faszinierender als irgendetwas sonst. Denn sie
warteten. Warteten auf das Zeichen, das er auserwählt war von ihrem Gott eine
Vision zu empfangen, die ihnen zeigte, welche großen Ereignisse bevorstanden.
Doch daran dachte Sahel nicht. Er wollte sich nicht von den Gedanken an ein
großes Schicksal oder baldige Begebenheiten beschweren lassen. Für ihn zählte
nur der Tanz. Die Bewegungen seines Körpers, die er in den unzähligen Übungen
trainiert hatte erfüllten endlich ihren Zweck, als seine nackten Füße über den
rauen Steinboden glitten und die kühle Nachtluft über seine Haut strich. Gleich
den Gesängen, die immer schneller und ekstatischer wurden, bekam auch sein Tanz
eine leidenschaftlichere Note.
Ungestüm und wild drang ein Schrei aus der Kehle des Jungen. All das Grauen,
das in Sekunden in seinen Körper eindrang, versuchte durch diesen einen Laut
wieder hinaus zu treten, doch es blieb haften. Wie der bittere Nachgeschmack
einer Lüge auf ewig die Seele befleckte, blieb der Schrecken in Sahels Geist
zurück. Unzählige Bilder und Gefühle durchströmten ihn, bis sein Körper es
nicht mehr ertragen konnte.
Die Beine des Jungen knickten unter der Last seines eigenen Körpers ein; er
schlug auf dem Boden des Tempels auf. Nur die aus dem Nichts erscheinenden Arme
eines der Tempeldiener bewahrten ihn davor vollkommen zu Boden zu sinken. Woher
er kam war egal.
Tränen rannen aus den vor Schreck geweiteten Augen des Jungen. Sein Blick war
noch immer apathisch auf die schwarze Leere der Nacht gerichtet, die unheilvoll
ihre Dunkelheit in die Gemäuer des Tempels ausstreckte. Nur eine einzige Frage
drang aus dem aufkeimenden Stimmengewirr zu Sahel durch: „Was hast du gesehen,
Junge?“
Voline gefror noch immer das Blut in den Adern, als sie
sich an den Schrei erinnerte, der über den Festplatz geschallt war.
Verzweiflung und Hilflosigkeit waren gleichsam mit purer Angst in ihm
erklungen. Wie in Trance war sie ihren Freundinnen gefolgt, die in aufgeregtes
Getuschel vertieft waren. Der Weg erschien ihr verschwommen, so irreal, wie die
zum Tempel drängenden Menschen auf dem Platz.
Nach und nach waren die Zuschauer immer näher an den Tempel gerückt, doch
Voline hatte sich nicht getraut. Einige Tänzer hatten versucht sie aufzuhalten,
doch die Masse riss sie einfach mit sich. Voline hatte gehört wie Florentina
erklärte, dass es schon seit Jahren niemanden gegeben haben soll, der während
der Zeremonie eine Vision erhalten hatte. Sie hoffte, dass wenn es jetzt der
Fall war, es ein gutes Omen war, doch das gleichsam mischten sich Zweifel in ihre
Gefühle. Wie konnte ein solcher Schrei nur etwas Gutes verheißen?
„Musst du heute Abend wirklich bei deinen Eltern bleiben?“, Ajnas Stimme klang
trotzig. „Warum kannst du nicht bei mir übernachten? Tania hat nichts dagegen,
genau so wenig wie mein Kreis, sie lieben dich, wie ihr eigenes Kind.“ Seufzend
ließ Voline ihre Schultern sinken. „Ich weiß, aber ich kann nicht. Adenias
Bedingung, dass ich mit euch kommen darf, war, dass ich danach sofort nach
Hause gehen muss.“ So ganz aufrichtig war sie nicht zu ihren Freundinnen, aber
den wahren Grund durfte sie ihnen nicht sagen. Innerlich war sie jedoch schon
so aufgeregt, dass sie die Nacht zuvor kaum schlafen konnte. In dieser Nacht
wurde sie endlich in den Orden des ewigen Feuers eingeführt. Eine Ehre, die
schon all den Mitgliedern des Kreises um Galaine Kyell zu teil geworden ist.
Und nun auch ihr. Endlich durfte sie wie alle anderen Teil des ganzen sein.
„Ja, ja, Adenia sollte nicht immer wie eine Glucke an dir hängen. Sie lässt
dich ja keine Sekunde aus den Augen.“Florentina ließ ein ärgerliches Schnauben
hören, als sie sich zu den anderen Beiden umdrehte. „Ich muss jetzt hier lang,
also passt auf euch auf!“, spielerisch drohte sie den jüngeren Mädchen mit dem
ausgestreckten Zeigefinger. „Ich will dass ihr auf schnellstem Weg nach Hause
geht und keine Abstecher!“
„Ja, Mama“, kicherten Voline und Ajna gleichzeitig, als sie an ihr vorbeischritten.
Nur noch aus dem Augenwinkel konnten sie Florentinas goldblondes Haar im Wind
wehen sehen, als sie in die Seitenstraße einbog. „Sie ist ja fast schlimmer als
Adenia“, stöhnte Ajna während sie weiter liefen. „Nur weil sie älter ist als
wir, muss sie sich nicht immer wie Adenia oder Leila aufführen“, Ajnas Stimme
war gedämpft und doch konnte Voline den Ärger in ihr hören. Leila und Ajna
hatten in letzter Zeit öfter gestritten, weil sie in ein Alter kam, in dem es
wichtig war gute Kontakte zu knüpfen um eine gute Ehe einzugehen, doch Ajna war
in ihrem Geist noch ein Kind, das sich noch nicht mit den Problemen des
erwachsen Werdens einlassen wollte.
„Sie will nur, dass uns nichts passiert“, Volines Versuch ihre Freundin zu
besänftigen war halbherzig, denn mit ihren Gedanken war sie schon längst bei
der Versammlung in der Nacht. Langes Schweigen folgte auf ihre Bemerkung, bis
sie am Anwesen der Kyells angekommen waren. „Ich muss jetzt nach Hause. Wir
sehen uns Morgen? Ihr seid doch auch am Erris, oder?“ Zögerlich machte sich ein
breites Lächeln auf Ajnas Zügen breit. „Natürlich! Dann bis morgen!“,
euphorisch schloss Ajna Voline in ihre Arme, ehe sie mit tänzelnden Schritten
die Straße weiter entlang spazierte.
Voller Vorfreude trat Voline in das große Anwesen am Rande der Stadt. „Voline,
wie schön, dass du endlich da bist! Wir müssen dich schnell fertig machen.
Unser Namensträger Galaine und sein Bruder Leucas warten schon auf uns.“ Ein
schwaches Seufzen rann von den Lippen der Tochter, als sie ihrer Mutter durch
die langen Gänge, in den Teil des Hauses folgte, der ihren Eltern und ihr
zugesprochen war. Mit einem Schlag wich all ihre Freude der Resignation. Das
einzige Gefühl das sie für den übermäßigen Schönheitskult ihrer Mutter übrig
hatte. Sie hätte wissen müssen, dass Adenia wieder ein riesiges Theater um ihr
Aussehen machen würde und doch hatte sie sich auf diesen Abend gefreut.
Eine halbe Ewigkeit verbrachte Adenia damit unnötige Schönheitsprodukte auf dem
Gesicht ihrer Tochter zu verteilen und die schweren, schwarzen Locken auf ihrem
Kopf festzustecken, ehe sie mit ihrem Werk zufrieden war. Mit größter Sorgfalt
wurde Voline in eines ihrer schönsten Kleider gekleidet. Sie selbst kam sich
vor, als ob sie zu einem Maskenball gehen würde, auf dem sie keiner erkennen
durfte. Doch nichts konnte ihre Vorfreude zerstören, als sie auf dem Weg zum
Kellergewölbe waren.
„Namensträger Galaine, Leucas, es ist wundervoll euch zu sehen.“, Adenias
Stimme troff fast vor stolz als sie Voline vor sich schob. „Namensträger Galaine,
Leucas, auch ich bin höchst erfreut euer Gast sein zu dürfen.“ Sanft neigte
Voline den Kopf, als sie die beiden Männer begrüßte. Auch wenn sie Teil eines
Kreises waren, so war der Orden des ewigen Feuers doch eine gänzlich andere
Angelegenheit. Nun war sie Teil eines hierarchischen Systems und dessen
Vorsitzende war ihr Namensträger.
„Ich bitte euch, es ist uns eine Freude dich, Voline, in unserem Orden zu
begrüßen. Und das hoffentlich nicht nur als Gast.“ Galaines Stimme wob das
Mädchen in ein samtenes Netz, sie konnte gar nicht anders als zu nicken und zu
lächeln. Dieser Mann hätte ihr alles
sagen können, selbst, dass diese Welt nicht in zwei Teile gespalten war, und
sie hätte es geglaubt. Nun verstand auch sie, warum er den Vorsitz über den
Orden hatte. „Folgt uns und wir geleiten euch zu den anderen.“ Mit einem
Lächeln öffneten die beiden die Flügeltüren zur Säulenhalle. Nun war es so
weit, sie konnte nicht mehr zurück und jetzt überfiel auch sie ein mulmiges
Gefühl, doch sie schüttelte es ab und schritt durch die Türen ihrem Schicksal
entgegen.
Das vertraute Geräusch von Flügelschlägen umhüllte Sahel,
wie das wilde Rauschen des Erris. Flatternd öffnete er die Augen und wünschte
sich im gleichen Moment er hätte es nicht getan. Noch immer drang kein einziger Sonnenstrahl
durch das Fenster in seinem Zimmer, nur die kümmerlichen Reste der Kerzen auf
dem Waschtisch erhellten den Raum. Vorsichtig
stand Sahel auf, mit jedem Schritt das aufkommende Schwindelgefühl bekämpfend,
das ihn befiel. Noch immer suchten ihn die Bilder heim, die er während der
Zeremonie gesehen hatte. Verdorrte Erde lag neben ausgetrockneten Flussbetten,
in deren Nähe verbrannte Sträucher die einzige Vegetation waren, die noch
überlebte. Kein Mensch wanderte auf der Erde, denn sie verschanzten sich in
ihren Städten. Doch dadurch verurteilten sie sich selbst zum Tode. Kein Korn,
kein bisschen Wasser war mehr zu finden. Kein Wunder also, dass sie auf die
Lebensmitteltransporte des Ordens angewiesen waren.
Sanft strich Sahel über das Gefieder seines weißen Falken, der auf dem
Fensterbrett saß. Leucas, sein Vatter, hatte ihm Adoree zu seinem sechzehnten
Geburtstag geschenkt. Es war Tradition, dass die Söhne der Familie Kyell einen
weißen Falken bekommen, und doch war es das schönste Geschenk, dass ihm sein
Vater machen konnte. Auch wenn ihn jedes Mal, wenn er Adoree sah, ein Stich des
Bedauerns durchzuckte. Das Band jedoch, das er mit seinem Falken geknüpft hatte
war zu stark, um durch dieses Gefühl zu bersten. „Und was hast du mit mitgebracht?“,
flüsterte Sahel, während er die kleine Papierrolle von ihrem Fuß losband. „Du
bist bestimmt müde, meine Kleine. Ruh dich aus.“ Mit einem lauten Kreischen hob
sich der Falke vom Fensterbrett und flog in die Nacht. Sehnsuchtsvoll blickte
der Junge dem Vogel nach, ehe er die Nachricht entrollte. Ein strahlendes
Lächeln erhellte das Gesicht des Jungen. Neue Informationen aus Erzen.
Ohne zu überlegen stürzte Sahel aus seinem Zimmer, rannte Flure
entlang und Treppen hinunter. Sie mussten noch unten sein. Vorsichtig öffnete
Sahel die Tür zur unterirdischen Säulenhalle. Die
Halle war das kleine Geheimnis der Familie Kyell und ihres Kreises. Als sein
Onkel Galaine das Anwesen in der Stadt gekauft hatte, wusste noch niemand von
diesem wahren Segen. Keiner der offiziellen Stadtpläne verzeichnete das
Kellergewölbe, dessen Gänge weit hinter die Stadtmauern von Priaeria reichten,
davon hatte sich Sahel selbst überzeugt. Erst nach ein paar Wochen war einer
der Frauen aus dem Kreis, Sahel hatte ihren Namen vergessen, der Zugang zum
Keller aufgefallen. Das war der Beginn der regelmäßigen Treffen des Ordens
und die Fortsetzung von Sahels Training gewesen.
Nur einen Moment lang durchströmte den Jungen eine unbändige Sehnsucht nach dem
alten Sitz ihres Kreises, nahe dem Waldrand. Er vermisste die Atmosphäre der
Trainingsstunden auf der Lichtung im Wald und auch die Möglichkeiten andere
Manöver als nur den offenen Angriff zu üben. Seit seinem zehnten Lebensjahr
unterrichtete Leucas ihn in all den Kampftechniken, die sie durch den Kontakt
mit Erzen erlernt hatten, und auch im Umgang mit den wenigen Waffen, die sie
bis dahin über die Grenze geschmuggelt hatten. Mittlerweile waren über zehn Jahre
ins Land gestrichen und Sahel zählte zu den besten Kämpfern des Ordens, was
auch dran lag, dass seine Mutter ihren Willen durchgesetzt hatte. Sie war es,
die mit ihrem unerschütterlichen Glauben Sahel dazu gebracht hat, seit er klein
war, die rituellen Tänze des Feuertempels zu lernen.
„Sahel!“, Leucas aufgeregte Stimme schallte durch den gesamten Raum. „Vater…“,
seufzte der Junge nur zu hörbar. Auch wenn er sich bemühte, ihm rutschte dieses
Wort nur allzu oft in der Öffentlichkeit heraus. Sahel liebte seinen Kreis so
wie es sich gehörte, wie eine Familie, doch konnte er sich nicht damit
arrangieren seine Eltern herab zu stufen. Er verehrte seinen Vater und seine
Mutter, die nicht nur ihr eigenes Leben sahen, sondern auch das derer, die
litten. Sein Vater war sein Vorbild, Sahel tat alles was Leucas verlangte um ihn stolz
zu machen. Er hatte gelernt zu kämpfen, seinen Falken trainiert und bei der
Arbeit seines Vaters geholfen. Deswegen verstand er nicht, warum er sie nicht
über alle anderen stellen durfte, warum er sie nur mit ihrem Vornamen
ansprechen durfte, als ob sie nur Bekannte für ihn wären, anstatt das was sie
sind: die wichtigsten Menschen in seinem Leben.
„Du solltest doch im Bett bleiben und dich ausruhen, Sahel!“, der Ausdruck auf
dem Gesicht seines Vaters drückte ernsthafte Besorgnis aus, doch in seinen
Augen funkelte etwas anderes. Ein unausgesprochenes ‚wie oft sagte ich dir bereits du sollst mich nicht so nennen‘. „Mir
geht es gut, Leucas“, ganz besonders betonte er nun den Namen seines
Gegenübers, da bereits jegliche Aufmerksamkeit auf ihnen lag . „Mach dir um
mich keine Sorgen, viel wichtiger ist die Nachricht die ich bringe. Adoree ist
gerade wiedergekommen und sie trug Neuigkeiten bei sich.“ Gelassen hielt Sahel
dem warnenden Blick seines Vaters stand. „Ich werde hier bleiben. Mir geht es
gut genug, dass ich diese kleine Botschaft auch den anderen mitteilen kann.“
„Du weißt, dass ich nur dein Bestes will, Sahel“, Leucas Stimme wurde leiser
und weicher, als er eine Hand auf die Schulter seines Sohnes legte. „Ich weiß,
Vater, aber das Beste für mich ist nicht das Beste für den Orden.“
Als eine der ersten hatte Voline bemerkt, wie sich die
Tür hinter ihnen geöffnet hatte und noch jemand eingetreten war, doch es hatte
sie nur kurz von der Präsentation im vorderen Bereich der Halle abgelenkt.
Galaine erzählte gerade etwas über die neuen Tunnel, die unter dem Anwesen
gegraben wurden und das Projekt den Erris zu untertunneln. Für Voline klang das
wie pures Geschwätz, egal wie eindringlich die Stimme ihres Namensträgers war,
aber ein solches Unterfangen war zum Scheitern verurteilt.
Aufgebracht unterbrach Leucas seinen Bruder, als er erkannte, wer dort
hereingekommen war. Erst jetzt schenkte Voline der Person einen zweiten Blick.
Im flackernden schein der Fackeln erblickte sie den jungen Mann, der während
des Tanzes fast auf sie gestürzt wäre. Sein blondes Haar war nun nicht mehr
nach oben gesteckt, sondern fiel in weichen Wellen über seinen Rücken. Ihr
stockte der Atem, als ihr erneut der Ausdruck in seinen Augen in den Sinn kam.
Beschämt von ihren eigenen Gedanken schlug sie die Augen nieder, doch selbst
das half nichts, sie konnte nun seine schlanke Gestalt sehen, eingehüllt in
eine einfache Leinenhose und ein schlichtes Hemd. Er trug keine Schuhe; nichts
schütze ihn vor dem kalten, rauen Boden. Mit einem Mal wurde Voline klar, wie
aufgedonnert sie aussehen musste und wie unattraktiv sie eigentlich war. Sie
war neidisch auf diesen Jungen, der in den einfachsten Kleidern aussah, wie
eine erblühende Rose, während sie nur durch Pomp und Tand einen Hauch von
Schönheit an sich tragen konnte.
Mit langen eleganten Schritten durchquerte der junge Mann den Raum. Jedes
Augenpaar lag nun auf ihm. Voline hatte nicht darauf geachtet, was er mit
Leucas gesprochen hatte, doch der Bruder des Namensträgers schien verstimmt zu
sein. Ein unruhiges Murmeln durchlief
den Raum, während Galaine noch einige Worte mit dem Neuankömmling wechselte. Echauffiert
lehnte sich eine Bekannte zu Adaine und raunte ihr zu: „Hast du gehört, was er
gesagt hat? Benine ist sich sicher, dass er Leucas, „Vater“, genannt hat. Ist
das zu glauben? Ich wusste schon immer, dass der Junge keinen Respekt vor den
Traditionen unseres Landes hat. Egal wie wichtig er für unsere Pläne ist, so
ein Verhalten darf nicht geduldet werden. Wir sind alle gleich!“ Adenia setzte gerade an etwas auf Benines Klatsch zu
antworten, als ihr Namensträger um Ruhe bat. Zu gerne hätte sie die Antwort
ihrer Mutter gehört, denn ihre Gedanken tanzten Gerade wie wild hin und her.
Wenn dieser Junge Leucas als seinen Vater bezeichnete, musste er Sahel sein, der
Neffe ihres Namensträgers, und damit auch der Mann von dem ihre Mutter seit
Tagen sprach. Sie hatte gar nicht mehr aufgehört davon zu schwärmen, wie
gutaussehend und intelligent er doch sein sollte, seitdem sie und Danael, ihr Mann,
bei den Kyells zum Essen geladen waren. Voline durfte nicht mitkommen, ihr 18.
Geburtstag war noch nicht vorüber gewesen, deswegen hatte sie nicht gewusst,
wie sie sich diesen Sahel vorstellen sollte. In ihren Gedanken war er ein
großer muskelbepackter Mann gewesen, der nur von Kriegsführung und Kämpfen
Ahnung hatte, aber nicht von Schönheit und Anmut. Dass Sahel jedoch einer der begabtesten
Tänzer des Tempels des Feuers war, das ließ sie nun doch erstaunt zurück.
„Meine Familie, meine Freunde, mein geliebter Kreis“, die klare Stimme Sahels
legte sich wie Balsam über die aufgeregte Stimmung in der Halle. Er war also
ganz der Onkel was das einnehmende Wesen anging. „Es legt sich Trauer auf mein
Herz, dass ich erst jetzt zu euch stoßen konnte. Ihr müsst mein Fehlen
entschuldigen. Einige von euch wissen es bereits, euch anderen werde ich es nun
sagen. Ich war bei der heutigen Zeremonie des Feuers auserwählt zu tanzen,
jedoch nicht nur auf dem Festplatz. Für die heutige Nacht hatte ich mich ganz
dem ewigen Feuer und seiner heiligen Flamme verschrieben. Ich tanzte, bis sie
mir unseren Weg zeigte, das Leid, das vor unserem Blick verschlossen bleibt aus
zu löschen.“ Erneut hallte aufgeregtes
Gemurmel von den hohen Wänden der Säulenhalle wieder. Volines Blick lag aufmerksam
auf der Gestalt des jungen Mannes, der dort vorn stand. Sein Kreuz
durchgedrückt, die Schultern gestrafft. Sie wusste von Adaine, dass er einer
der Männer war, der wirklich Kämpfen konnte. Doch nun wusste sie noch etwas:
Sein markerschütternder Schrei war es gewesen, der sie hat Schaudern lassen.
Sie konnte sich nicht ausmalen, welche Schmerzen er für diese Art der Vision
hatte zahlen müssen.
„Ich sah Erzen vor mir und seine
verbrannte Erde. Sah, dass die uns Leben spendende Sonne, dort tötet. Der Regen
dort macht krank, während wir von seinem Wasser Korn wachsen lassen. Wo wir in
friedlichem Einklang mit den Tieren leben, sind sie in Erzen wild und
unbezähmbar. Auf ihrem Land steht keine einzige Hütte mehr, denn die Winde
wehen so stark, dass sie alles zerstören, obwohl ihre kühle Briese uns vor der
Hitze der Sonne schützt. Wir leben hier in Harmonie und voller Stolz auf unsere
Kultur, doch dort gibt es Menschen, die auf der Straße dahinsiechen, mit nichts
als dem was sie an ihrem Leib tragen. Dort lebt jeder für sich selbst. Es gibt
keine Kreise in deren Schutz man sich zurückziehen kann und auf den man
vertraut. Wir können uns nicht vorstellen, was es für ein Leben sein muss, dass
sie führen, aber wir können alles daran setzen ihnen zu helfen! Die Pläne für
den Ausbau der Tunnel sind fertig und wir können bald damit beginnen sie in die
Tat umzusetzen. Dann muss keiner von uns mehr sein Leben, auf der langen und
gefährlichen Reise zur Grenze, aufs Spiel setzen. Bedenkt was vor 18 Jahren
geschah, als unsere Lieferung an Erzen von einer Gruppe Plünderer gestohlen
wurde. Madana und Trojen haben, durch großes Glück, überlebt, aber ihr Sohn….
Wir trauern noch immer alle um dieses junge Geschöpf.
Aber ich habe auch gute Nachricht zu verkünden, nicht nur solch traurige.
Adoree brachte mir heute neue Nachricht aus Erzen. Sie akzeptieren unser
letztes Angebot und wir erhalten eine weitere Lieferung an Waffen, vor allem
neue Pfeilspitzen, aber es sollen auch leichtere Klingen dabei sein, damit wir
alle besser lernen und üben können. Jedoch bleibt unser Wunsch auf einen Lehrer
wieder verwehrt, dafür erhalten wir neue, bessere Bücher, aus denen wir neue
Techniken erlernen können. Sobald sie ihre Lieferung losgeschickt haben werden
wir erneut eine Nachricht bekommen, damit wir, die hoffentlich letzten zwei von
uns, auf die Reise schicken können.“ Großer Jubel aus den Reihen der Jüngeren
folgte Sahels Worten, sie konnten es kaum erwarten sich in den Krieg zu
stürzen. Voline dagegen schreckte das Geschrei auf. Sie hatte so gebannt an
Sahels Lippen gehangen, dass sie beschämt zu Boden blickte, als es ihr bewusst
wurde. Ihr Herz schlug laut und unregelmäßig, während sie reglos in der tobenden Menge
stand.
Namensträger Galaine war es, der mit einem strahlenden Lächeln den Orden wieder
zur Ruhe rief. „Meine lieben Brüder und Schwestern. Wir können aufatmen, denn
die Nachricht die Sahel uns bringt ist gut, doch wir dürfen nicht vergessen,
dass jetzt wieder die Zeit der Arbeit folgt. Wir dürfen die
Lebensmittellieferung nicht unterschätzen. Auch wenn jeder von uns seinen
Beitrag ohne Mühe leisten kann, werden es doch schwere Monate werden, die uns
bevorstehen. Denkt immer daran nicht auffällig zu handeln. Die Geheimhaltung
des Ordens ist höchste Priorität.“
Stummes nicken folgte Galaines Worten. Sahel bekam das alles nur am Rande mit.
Sein Kopf schmerzte so sehr, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass er
nicht jeden Moment bersten würde. Es war ihm ein Rätsel wie er es überhaupt
geschafft hatte so lange vor dem Orden zu stehen, denn nun war er so dankbar
für den Stuhl der am Rande der Empore bereitstand. Sein Vater saß neben ihm,
doch er ignorierte den besorgten Blick der auf ihm lag. Unaufmerksam ließ er
den seinen über die Menge schweifen, bis sein Onkel die Mitglieder des Ordens
entließ. Der Raum leerte sich schnell, doch sein Vater, sein Onkel und eine der
Familien blieben in stillem Schweigen zurück. „Sahel… Ich weiß nicht, wie ich
anfangen soll…“, Leucas Stimme war ruhig und sanft, als er sich zu seinem Sohn
gesellte. „Deine Mutter und ich haben lange darüber geredet, was uns die Zukunft
noch bringen wird. Sahel, du bist unsere Zukunft und deswegen haben Selenia und
ich eine Entscheidung getroffen. Du wirst heiraten mein Sohn, damit unsere
Familie fortlebt.“
Für einen Moment war Sahel so perplex, dass er gar nichts erwidern konnte.
Schweigend ruhte sein fassungsloser Blick auf seinem Vater. Hatte er gerade
wirklich das gesagt, was Sahel verstanden hatte? Er hoffte für seinen Vater,
dass es nicht so war. „Wir haben eine Familie aus unserem Kreis ausgewählt, die
nur eine einzige Tochter hat. Ihr Name ist Voline. Sie ist gut erzogen worden,
nach allen Traditionen, und sie hat hervorragende Umgangsformen. Sie ist seit
heute auch Teil unseres Ordens, so wie es auch ihre Eltern sind. Sie ist ein
Emporkömmling des Teils der Familie, der sich dem Handel zugewandt hat. Sie
wird also ein gutes Einkommen mit in die Familie bringen, wenn ihr Geschäft von
ihrer Tochter übernommen wird. Sie ist eine gute Wahl für das Wohl unserer
Familie und für das des Ordens.“
„Vater!“, nur mit Mühe konnte er die Wut die in ihm aufkeimte unterdrücken. „Ich
glaube hier liegt ein Missverständnis vor. Sollte es nicht in meinem Ermessen
liegen, welche Frau ich einmal heiraten werde? Ich dachte ich könne –“ Der
eisige Blick seines Vaters ließ Sahel schweigen. „Du wirst das tun, was deine
Mutter und ich für dich vorgesehen haben. Und das ist sicherlich nicht
irgendein dahergelaufenes Mädchen von der Straße zu ehelichen. Wir haben lange
überlegen müssen, wer die Richtige sein wird und dieses Mädchen dort“, Leucas
deutete mit einer unauffälligen Geste zu den anderen Anwesenden, die sich
angeregt mit Galaine unterhielten. „ist absolut perfekt. Sie ist schön. Sie ist
intelligent und sie ist reich. Und ich will von dir keine Widerworte hören,
Sahel. Ich bin dein Vater und du hast
zu tun was ich für richtig halte. Und jetzt begrüßen wir die Familie deiner
Verlobten.“
Sahel wünschte sich, dass er Leucas hätte sagen können, was er dachte, was er
fühlte, doch er hätte ihm nicht zugehört. Sein Vater war zwar besorgt um ihn
und sein Wohl, aber noch mehr um den Wohlstand der Familie und, dass sie in
nichts hinter dem Namensträger standen. Es hätte nichts genützt, wenn er sich
nun aufgeregt hätte, er hätte nur den Zorn seines Vaters auf sich gezogen und
das hätte sein Herz noch schwerer bluten lassen als es diese arrangierte Ehe
tat.
Leucas schritt an seinem Sohn vorbei, durch die Säulenhalle, direkt auf die
Familie dieser Voline zu. Nur kurz verweilte Sahel noch an seinem Platz, denn
er wusste, dass er gehen musste. Mit jedem Schritt spürte Sahel wie sich die
Kälte des Bodens durch seine Fußsohlen fraß. Immer tiefer, bis sie sein Herz
erreichte und es zu Eis erstarren ließ. Und doch setzte er weiterhin einen Fuß
vor den anderen und ging der Hoffnungslosigkeit seines Schicksals entgegen.
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